Spektralklassen

Spektralklassen
Spektralklassen,
 
Spektraltypen, Klassen, die sich aus den Eigenschaften der Sternspektren ergeben. Ein Sternspektrum besteht aus einem Kontinuum, dem mehr oder weniger viele Spektrallinien (Absorptions- und Emissionslinien) überlagert sind. Während die Energieverteilung im kontinuierlichen Spektrum (Spektralverteilung) v. a. von der Effektivtemperatur des Sterns abhängt, ist die Stärke der Linien bedingt sowohl durch die Zahl der vorhandenen Atome als auch durch deren Anregungszustände; diese hängen nicht nur von der Temperatur ab, sondern auch vom Druck, d. h. von der Schwerkraft an der Oberfläche (genauer in der Photosphäre) der Sterne. Da die weitaus meisten Sterne etwa die gleiche chemische Zusammensetzung der Atmosphäre besitzen, kann man aus dem Spektrum eines Sterns weitgehende Schlüsse auf die in seiner Photosphäre herrschenden physikalischen Bedingungen ziehen. Zur Einteilung in Spektralklassen werden empirische Kriterien und einheitliches Beobachtungsmaterial von Standardsternen zu Vergleichszwecken verwendet, wobei der relativen Stärke benachbarter Linien besondere Bedeutung zukommt.
 
Eine sehr gebräuchliche Spektralklassifikation ist die auf E. C. Pickering und Anny J. Cannon zurückgehende, am Harvard-Observatorium ausgearbeitete Harvard-Klassifikation, deren Klassen mit Großbuchstaben bezeichnet werden; ihre wichtigsten Merkmale sind:
 
O: sehr heiße, blaue Sterne, Absorptionslinien des ionisierten Heliums (He II);
 
B: heiße, blaue Sterne, Absorptionslinien des neutralen (atomaren) Heliums (He I), bei den späteren (Unter-)Typen der Klasse Zunahme der Balmer-Serie des Wasserstoffs (H I);
 
A: weiße Sterne, sehr starke Absorptionslinien des H I, später abnehmend und Zunahme der Linien H und K des ionisierten Calciums (Ca II);
 
F: weiße Sterne, Ca II-Linien weiter zunehmend, H I-Linien weiter abnehmend, Auftreten des G-Bandes verursacht durch das CH-Radikal;
 
G: gelbe Sterne, Ca II-Linien vorherrschend, G-Band verstärkt, Eisen- u. a. Metalllinien stark;
 
K: orangerote Sterne, starke Linien neutraler Metalle, Erscheinen der Banden von Titanoxid;
 
M: sehr kühle, rote Sterne, Titanoxidbanden stärker, viele Metalllinien.
 
Die Mehrzahl der Sterne fällt in diese Hauptsequenz (Merkspruch: oh be a fine girl kiss me), in der Sterne einer Spektralklasse jeweils geringere Temperatur haben als die der vorangehenden. Aus historischen Gründen werden Sterne der Spektralklassen O, B, A auch als »frühe« Sterne bezeichnet, die der Spektralklassen G, K, M als »späte«; damit wird aber keine Aussage über das wirkliche Alter der Sterne gemacht. Die nichtalphabetische Reihenfolge der Spektralklassen ist ebenfalls historisch bedingt. Über die Hauptsequenz hinaus gibt es noch die Spektralklassen S und C, die die Harvard-Nebensequenz bilden; in der Spektralklasse C sind die früheren Spektralklassen R und N vereinigt.
 
S: ähnlich M, starke Banden des Zirkoniumoxids und von Molekülen der Seltenerdmetalle;
 
C: Banden der Cyangruppe (CN), des Kohlenmonoxids (CO) vorherrschend (Kohlenstoffsterne).
 
Die Spektralklassen der Hauptsequenz sind in 10 mit den Ziffern 0 bis 9 gekennzeichnete Unterklassen unterteilt: G5 liegt in der Mitte zwischen F0 und K0. Besonderheiten werden mit nachgestellten Zusätzen (Suffixe) bezeichnet: e bedeutet, dass Emissionslinien vorhanden sind; m in Verbindung mit der Spektralklasse A., dass Metalllinien besonders stark sind; p weist auf besondere, durch die Spektralklassifikation nicht erfasste Merkmale hin.
 
Sterne des gleichen Spektraltyps können sich in weiten Grenzen durch ihre Leuchtkraft unterscheiden. Zur eindeutigen Klassifizierung werden die Sterne daher außer in Spektralklassen auch in Leuchtkraftklassen eingeteilt. Das gebräuchlichste hierfür verwendete Schema ist das der MK-Klassifikation, nach der die Sterne in Leuchtkraftklassen mit Bezeichnungen von 0 über Ia und b bis VI im Sinne abnehmender Leuchtkraft eingeteilt werden. Darüber hinaus können erforderlichenfalls die dezimalen Unterklassen weiter unterteilt und bei kleineren Spektralanomalien den Typbezeichnungen Indikatoren für die Stärke der Besonderheit hinzugefügt werden. So kennzeichnet O9,5V einen Hauptreihenstern, dessen Spektraltyp zwischen dem eines O9- und dem eines B0-Sterns liegt.

Universal-Lexikon. 2012.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Harvard-Sequenz — Hertzsprung Russell Diagramm Spektralklasse Braune Zwerge …   Deutsch Wikipedia

  • Harvard-System — Hertzsprung Russell Diagramm Spektralklasse Braune Zwerge …   Deutsch Wikipedia

  • Spektral-Klassifikation — Hertzsprung Russell Diagramm Spektralklasse Braune Zwerge …   Deutsch Wikipedia

  • Spektralklasse — Hertzsprung Russell Diagramm Spektralklasse Braune Zwerge …   Deutsch Wikipedia

  • Spektralklassifikation — Hertzsprung Russell Diagramm Spektralklasse Braune Zwerge …   Deutsch Wikipedia

  • Spektraltyp — Hertzsprung Russell Diagramm Spektralklasse Braune Zwerge …   Deutsch Wikipedia

  • Sterne: Verteilung und Zustandsgrößen —   Für Ibn Butlan, Arzt in Konstantinopel, war die Ursache der tödlichen Epidemie des Jahrs 1054 klar. Dass 15 000 Menschen an einer rätselhaften Krankheit gestorben waren, konnte nur mit jenem neuen Stern zusammenhängen, der plötzlich am Himmel… …   Universal-Lexikon

  • Brauner Zwerg — Ein Brauner Zwerg ist ein astronomisches Objekt, das mit einer Masse zwischen 13 und 75 Jupitermassen eine Sonderstellung zwischen Planeten und Sternen einnimmt. Gleiches gilt für die im Inneren ablaufenden Prozesse. Braune Zwerge sind… …   Deutsch Wikipedia

  • COROT (Weltraumteleskop) — COROT Typ: Forschungssatellit Land: Europa Behörde: ESA Missions …   Deutsch Wikipedia

  • Correlated Color Temperature — Die Farbtemperatur ist ein Maß für den Farbeindruck einer Lichtquelle. Inhaltsverzeichnis 1 Definition und Maßeinheit 2 Fotografie 3 Schwierigkeiten 4 Spektralklassen der Sterne 5 Weblinks …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”